Das bin ich

Geopfert


Anime: Fairy Tail
Charaktere: Gajeel und Levy
Disclaimer: Alles gehört Hiro Mashima, nur die Idee gehört mir

Eine weitere Geschichte entsprungen aus meiner Phantasie. Dieses Mal ist es ein AU (nicht im Originalen Szenario). Ich hoffe sie gefällt euch.


Lassen wir es dabei. Nicht traurig sein. Betet für mich, und ich helfe Euch auch. Ihr werdet schon sehen. Jetzt muß ich mich ganz loslassen. Dank für alle Liebe und Güte und Treue. … Was auch kommen mag, es sei gegeben für Euch und für dieses Volk als Samen und Segen und Opfer.
(Alfred Delp (1907 - 1945, hingerichtet), deutscher Theologe, Mitglied des Kreisauer Kreises)


Geopfert


Es war ein heißer und sonniger Tag. Die Bauern auf dem Feld ächzten unter der Hitze der Sonne und die Frauen am Fluss wuschen die Wäsche. Zwischen ihnen hüpften die kleineren Kinder hin und her, tobten ausgelassen im Wasser und spritzen sich die kühle Erfrischung gegenseitig zu.
Das Dorf war klein und unterstand einem Shogun, der seinen Sitz hunderte von Kilometern entfernt hatte. Das Sagen hatte hier also der Dorfälteste, der seinen Status in seiner Familie weitervererbte.

Etwas entfernt des Dorfkerns, am Rande eines kleinen Waldes, stand ein prächtiger Schrein. Er war dem Drachengott Kurogane gewidmet, der die Region schon seit Urzeiten vor allem Unheil beschützte. Er gehörte zur Klasse der Kriegsgötter, so besagte es jedenfalls die Legende.
Vor diesem Schrein kniete ein junges Mädchen. Ihre blauen Locken waren locker zu einem Zopf gebunden. Neben ihr lagen ein Besen und ein Gefäß mit Wasser.
Sie war eine Miko, die den Schrein pflegte und immer wieder die Gebete des Dorfes zum Drachen brachte.
Nachdem sie sich erhoben hatte, verneigte sie sich und erledigte mit einem Summen auf den Lippen ihre Reinigungszeremonie. Danach säuberte sie den Schrein und dessen Vorplatz.
Immer wieder glitt ihre zarte Hand mit dem Lappen über die in Gold eingefassten Elemente und befreiten diese vom trockenen, aufgewirbelten Sand und Staub.

Langsam setzte die Dämmerung ein und immer wieder schweifte der Blick der jungen Frau zu den Feldern.
Die Männer, jung wie alt, packten ihre Werkzeuge zusammen und machten sich auf den Rückweg ins Dorf.
„Levy-san ich grüße euch!“ Ein älterer Herr lächelte freundlich. Er war über und über eingestaubt mit schwarzer Erde und seine Hände zitterten von der anstrengenden Feldarbeit.
„Guten Abend.“ Sie lächelte freundlich.
Als die letzten Männer den schmalen Weg am Schrein passierten, schloss sie sich ihnen an.

„Levy-chan“, einer der jungen Männer legte seinen Arm um die Blauhaarige.
„Jet!“ grüßte sie mit einem Lächeln und schob seine Hand bei Seite.
„Du bist wieder wunderschön heute.“
Sie zuckte leicht zusammen, als ihr ein anderer Mann von hinten ins Ohr raunzte.
„Droy“, stieß sie erschrocken aus und knuffte ihm in den Oberarm.
Das Trio begann herzhaft zu lachen.

Die zierliche Miko und die beiden Männer kannten sich bereits aus frühster Kindheit. Deren Elternhaus steht direkt neben Ihrem und als sie klein waren passten die Mütter abwechselnd auf die kleine Gruppe auf.
Als sie älter wurden, begann sie mit der Ausbildung zur Miko, lernte den Umgang mit Heilkräutern und das Lesen alter Schriften, während die Anderen, die Männer auf den Feldern unterstützten.
Der Weg ins Dorf war kurz.
Kleine Hütten aus Lehm und Holz standen dicht an dicht um eine riesige, freie Fläche herum.
Zwischen den Gebäuden hatten die Frauen Seile aufgespannt, um die Wäsche besser trocknen zu können. Heute waren diese voll behangen.
Während das Trio auf die familiären Hütten zusteuerte, rief der Dorfälteste grade die Gemeinschaft dazu auf, sich bei einem gemeinsamen Feuer, alten Legenden anzuhören.
Das war häufig so. Der Dorfälteste fand es wichtig, ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen und hielt regelmäßig Feste, Lesungen oder Besprechungen auf dem kleinen Platz ab.
Dazu wurde ein großes Lagerfeuer entzündet, an welchem die Familien kochen konnten und alle, selbst die Kinder, sammelten sich gerne dort.

Beschwingt stieß das blauhaarige Mädchen die Tür zu ihrem Häuschen auf.
„Vater, Opa, heute ist wieder Gemeinschaftsessen mit Märchenstunde. Mama ist schon am Feuer und bereitet den Fisch vor.“
Aus dem Waschraum hörte sie nur einverstandenes Murren ihres Großvaters.
„Wo ist Papa?“ fragte sie ihren Großvater, als ihr jemand auf die Schulter tippte.
„Hier bin ich doch!“ ein strahlendes Lächeln umspielte die Gesichtszüge des Mannes.
„Erschreck mich nicht so. Komm, Mama wartet bereits.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ die kleine Hütte wieder.

Es dauerte nicht lange, da fand sie ihre Mutter, die zwei Holzplatten in die Flammen hielt, an denen Fisch befestigt war.
Während sie aßen, hörten sie der sanften Stimme des Dorfältesten zu, der die Legende über den Drachengott Kurogane erzählte. Auch wenn Levy sie bereits tausendmal gehört hatte, sie liebte diese Geschichte und war versunken in die Erzählungen.
Verträumt stellte sie sich den in Menschengestalt verwandelten Gott vor und ein zarter Rotschimmer färbte ihre Wangen.
So war es immer. Deswegen ist sie Priesterin geworden.
So grausam die Erzählungen über den Kriegsgott auch sein mochten, sie fühlte sich zu ihm hingezogen.

„Damals kämpften die Shogune um die Ländereien des Kaiserreichs. Es wurde unendlich viel Blut vergossen. Immer wieder kamen Verwundete in unser Dorf und wir versuchten Händeringend, ihre Leben zu retten. Bei einigen klappte es, doch der Großteil verstarb. Das Wasser und die Nahrung wurden immer knapper und auch unsere Gemeinschaft zerrüttete sich immer mehr. Nachdem die Shogune sämtliche Männer im kampffähigen Alter mitgenommen hatten, herrschten Trauer und Depression über uns.
Ein Priester, der zugereist war, fand den alten Schrein des Kurogane und empfahl uns, ihn um Hilfe anzubeten. Da wir noch nie diesen Schrein genutzt hatten und auch keine Gelehrten unter uns waren, musste er uns helfen. Wir wählten eine Opfergabe aus, die wir dem Drachengott darbringen würden.
Der Priester meinte, je jünger die frau wäre, desto sicherer wäre die Hilfe des Drachen. Also ging das hübscheste Mädchen der Gemeinschaft.
Zur Neumond Nacht brachten wir sie an die Gotteslichtung im Drachenwald, zeichneten die Runen, die uns der Priester mitgegeben hatte in den Sand und zündeten eine Fackel.
Unser Gebet schrieb der Priester auf und legte das Pergament in den hergerichteten Schrein. Wir alle waren furchtbar traurig, das Mädchen verloren zu haben, doch um unser Dorf zu retten, war es ein geringeres Opfer. Ein paar Tage später hörten wir von einem Heer, das die feindlichen Truppen zerschlug und uns vor der Übernahme rettete.
Seit dem wacht der große Drachengott über dieses Dorf und wir pflegen seinen Schrein. Jede Dekade bilden wir eine neue Miko aus, die die ehrenvolle Aufgabe übernimmt unseren Retter zu huldigen und somit unser Dorf zu beschützen.“


Als der alte Mann geendet hatte, staunten ihn viele leuchtende Kinderaugen an. Sie waren fasziniert von der Geschichte.
„Mama kann ich ihn mal treffen?“ wurde gefragt aber auch
„Mama, der nimmt mich doch nicht mit oder?“
Levys Blick verkrampfte sich. Sie weiß wie brutal Kurogane beschrieben wurde. Um den Kindern keine Angst zu machen, hatte er ihnen nicht die ganze Geschichte erzählt.
Von dem jungen Mädchen, welches geopfert wurde, fand man nichts weiter als ihren Armreif und eine kleine Lache tiefroten Blutes.
So viel wie der Gott auch schützte, so viel verlangte er auch.

Müde lehnte sie sich an Jet an, neben dem sie gesessen hatte und Droy legte ihr eine Decke über die Schultern. Hoffentlich wird es niemals wieder zum Krieg kommen.

Monate zogen ins Land. Die Ernte fiel ungewöhnlich gut aus, sodass das Dorf die Reste gewinnbringend verkaufen konnte. Immer wieder reisten wohlhabende Pilger durch die Region und bezahlten gut für ein Essen und einen Schlafplatz.
Levy erledigte andächtig ihre Aufgaben am Schrein, pflegte die Drachenlichtung und kümmerte sich um erkrankte Bewohner.
Doch eines Tages kam eine Gruppe zugeritten, die nichts mit den üblichen Wanderern zu tun hatte.
Sie trugen unglaublich viele Verletzte auf einem Karren mit sich und berichteten von Ausschreitungen in der Nachbarregion. Selbst das Shogunat, dem sie angehörten, soll an den Kriegen beteiligt sein.
Der jungen Miko wurde heiß und kalt. Von Kriegen hatte sie nur in Büchern gelesen und von den Alten gehört. Sie hatte gehofft, dass in ihrem Leben kein weiterer mehr ausbrechen würde, doch diese Hoffnung versiegte mit jeder Wunde die sie verarztete.
Immer häufiger brachte man die Kriegsverletzten zu ihnen.

Ein paar Abende später berief der Dorfvorstand eine Versammlung ein. Nur die Erwachsenen waren anwesend, denn in dieser Nacht sollte ein Opfer bestimmt werden.
Ein menschliches Opfer für den Drachengott, um den Krieg zu verhindern und das Dorf zu retten.
Hitzig wurde diskutiert, als ein Mann mittleren Alters lospolterte:
„Wir sollten die Miko opfern. Immerhin ist trotz ihrer Anwesenheit ein Krieg ausgebrochen. Sie scheint Kurogane verärgert zu haben.“
Stille überschattete den Vorplatz. Levy begann zu zittern. Überall tuschelten die Männer und die Frauen, als es lauter wurde.
„Richtig sie ist die Einzige, die es verdient hat.“ und
„Genau, immerhin hat sie versagt“. Tränen benetzten ihre Wangen. Sie war sich keiner Schuld bewusst, immerhin hat sie alles getan, was in den alten Schriften stand und noch mehr.
Jeden Tag hat sie zu ihm gebetet, jeden Tag hat sie ihm frische Blumen niedergelegt.
Doch jetzt soll das alles falsch gewesen sein?
Sie soll schuld sein?

„Niemals!“ donnerte eine ihr bekannte Stimme.
Jet stellte sich vor sie. „Sie hat alles getan, was in ihrer Macht stand. Wie könnt ihr nur so grausam sein.“ Sein Körper bebte. Er hatte Mühe sich zu beherrschen.
„Fasst euch mal an die eigene Nase. Wie oft wart ihr in den letzten Jahren beim Schrein?“ auch Droy stand jetzt neben ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Wir verlangen ein Losverfahren, genau wie in den Legenden.“ Sie wagte es nicht aufzusehen. Sie hatte Angst vor der Reaktion der Dorfbewohner, doch sie wahr auch unheimlich froh, Menschen wie Jet und Droy auf ihrer Seite zu haben.
„Und trotzdem trägt sie alleine die Schuld“ nun sprach der Dorfälteste. Levy wagte es nicht zu atmen. Ihr Schicksal war mit dieser simplen Phrase besiegelt. Der Dorfälteste hatte ihr die Schuld gegeben und der Dorfälteste wird sie bestimmen, das Opfer zu sein.
Hilfesuchend suchte sie ihre Familie. Ihre Eltern weinten, hielten sich aneinander fest, doch nickten sie dem Vorstand zu.
„So soll es sein!“ rief ihr Vater aus.
Jet und Droy schrien und schlugen um sich. Sie wollten es nicht wahrhaben. Levy weinte nun bitterlich.
Der salzige Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus. Sie wollte nicht sterben. Doch was sie am meisten bestürzte, war das Verhalten ihrer Eltern. Sie sahen sie nicht einmal mehr an.
Sie mieden sie und verließen den Schauplatz. Ohne ein Wort zu sagen überließen sie ihre Tochter ihrem Schicksal.

Damit sie nicht flüchtete bekam sie bereits am Abend Ketten angelegt und sollte die Nacht draußen verbringen. Um nicht von den mitleidigen Blicken ihrer Freunde zerfressen zu werden, bat sie jedoch darum, dass man diese vom Platz scheuchte.
Sorgen sollten sie sich nicht um sie.
Irgendwann versiegten ihre Tränen und sie begann, sich mit ihrem Schicksal abzufinden.
Am Tag vor der Neumondnacht kamen Frauen zu ihr. Unsanft zogen sie sie auf die Beine und hüllten sie in ein neues Gewand.
Man schmückte sie mit einem goldenen Armreif und kämmte ihre Haare. Gebändigt wurden diese durch eine kleine samtig glänzende Spange. Wie sie war, zerrte man sie auf die Drachenlichtung.
Sie war oft hier gewesen, um Blumen darzulegen oder um nach dem Rechten zu schauen, doch heute war sie da, um zu sterben.
Ihre Eltern begleiteten die Gruppe nicht, nur Jet und Droy standen immer noch wild protestierend am Rand der Lichtung und kämpften für sie.
Doch sie wusste, dass es nun zu spät war. Mit blauer Farbe, so leuchtend wie ihr Haar, ließ man sie die Runen in den Sand malen, danach kettete man sie in der Mitte fest.
Jeder der Anwesenden trat nacheinander an sie heran, sprach ein Gebet zum Drachengott, und warf ihr eine Lilie vor die Füße.

Während der ganzen Zeremonie blieb Levy still. Kein Wort floh über ihre Lippen, kein Schluchzen entrann ihrer Kehle. Sie kannte ihr Schicksal und war nun bereit, es für ihr Dorf auf sich zu nehmen.
Als letztes verabschiedeten sich Jet und Droy von ihr. Tränennass drückten sie sie und als man sie von ihr weg zog, schluchzten sie.
Wie gerne hätte sie sie getröstet, doch was sagt man in so einer Situation?
Als die Dämmerung hereinbrach, verließen die Mitglieder des Dorfes den Wald und ließen sie alleine auf der Lichtung zurück.
Eine einzelne Fackel erhellte die Nacht. Weit entfernt hörte sie die Opferfeier ihrer ehemaligen Freunde.
Sie konnte sich nicht mehr halten.
Sie begann zu schreien und hemmungslos zu weinen.
Ihr Körper zitterte wie Espenlaub und mit ihm rasselten die eisernen Ketten, die sie an Ort und Stelle gefangen hielten.

___


Immer wieder wand sich das Ungetüm in der kleinen Höhle hin und her.
Nachdem es vor vielen Jahrzehnten diesen Krieg beendete, war es lächerlich ruhig in dieser Region geworden.
Verdammt er war ein Kriegsgott.
Der Drache langweilte sich zu Tode. Oft dachte er zurück an damals, diese junge hübsche Frau, die man ihm als Opfer brachte. Sie war so vorzüglich.
Nur durch ihr Blut erlangte er die Stärke, sich den Kriegsmassen gegenüber zu stellen.
Wobei, das vielleicht nur Einbildung war.
Er war schon immer stark gewesen.
Doch irgendwas bewirkte diese rote Flüssigkeit in ihm.
Mittlerweile war es ihm überdrüssig, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen.
Diese dämlichen Menschen sind so habgierig, irgendwann wird er schon wieder auf seine Kosten kommen. Bis dahin wollte er sich das Dorf, welches sich um ihn bemühte, mal endlich etwas näher betrachten.

In einem hellen Lichtstrahl veränderte der Drache seine Form. Nun stand ein junger, schwarzhaariger Mann in der Höhle, sein Gesicht zierten metallische Ringe, seine Arme waren ebenfalls geschmückt.
Die blutrot leuchtenden Drachenaugen waren das Einzige, was seine Ungewöhnlichkeit nach außen trug.
Zufrieden setzte er sich in Bewegung und verließ sein steinernes zu Hause.
Vor ihm erstreckte sich ein mystischer, dunkler Wald, den die Menschen Drachenwald nannten. Er wusste ganz genau, dass dahinter das Dorf beginnen würde.

Wie ein Schatten bewegte er sich über den leicht feuchten Erdboden. Immer wieder sog er die frische Luft in sich auf und genoss den modrigen Geruch. Alles um ihn herum war still.
Und genau das war es, was er an diesem Wald so liebte.
Vorsichtig blieb er stehen, sah sich um und ließ sich an einem dicken Eichenstamm zu Boden gleiten.
Die zarten Sonnenstrahlen, die durch das dichte Blätterdach hindurchdrangen, tanzten auf der Erde und wurden von seinem metallischen Schmuck in alle Richtungen reflektiert.

Plötzlich horchte er auf.
Ein leises Summen durchriss die Stille.
Knurrend sprang er auf. Wer wagte es wohl, in seinem Wald die Ruhe zu zerstören?
Blitzschnell huschte er durch das Gestrüpp.
Als er sah, wer den ‚Lärm‘ verursachte, zuckte er zusammen.
Ein junges Mädchen, vielleicht siebzehn Jahre alt, stand auf der Lichtung und summte ein Lied. Sie hatte Blumen im Arm und verteilte sie um seine Opferstätte herum.
„Weißt du Kurogane-sama, dank dir ist es herrlich friedlich in diesem Land. Ich wünschte, ich könnte mich dafür bedanken…“
Verwirrt schüttelte er den Kopf.
Du?
Hat sie ihn geduzt?
Sama?
Irgendwie passte ihre Anrede nicht zusammen.
Doch bevor er sich weitere Gedanken machen konnte, verführte ihn der betörend Geruch der bunten Pflanzen und ihre engelsgleiche Stimme. Immer wieder begann sie von neuem zu summen und bewegte sich in Wiegeschritten über die gesamte freie Lichtung.
Irgendwie faszinierte diese Göre ihn.

Mit der flachen Hand schlug er sich gegen die Stirn. Dieses dumme Menschenkind. Grade als er loswollte, um sie zu verjagen, verabschiedete sie sich doch tatsächlich von ihm und verschwand in der Dämmerung.
In ihm hinterließ sie eine merkwürdige Leere, die er bis dahin noch nicht gekannt hatte.

An den darauffolgenden Tagen schlich er sich immer wieder zu der Lichtung und immer wieder hörte er sie summen.
Er beobachtete sie und hörte sich die Geschichten aus dem Dorf an. Manchmal folgte er ihr bis zu seinem Schrein, unbeobachtet natürlich, und hörte sich die Gebete der Dorfbewohner an, die sie gesammelt hatte.
Und jede verdammte Nacht in seiner Höhle verteufelte er sich dafür.
Die Menschen waren niedere Wesen und nur dafür da, um seine Tempel zu pflegen und ihm zu huldigen.
Nichts weiter.
Und in jener Nacht verbot er sich selbst, wieder einen Schritt zu dieser Lichtung zu machen.

In seiner Drachenform wandte er sich immer wieder hin und her. Sein Verbot einzuhalten war schwieriger als gedacht.
Er verfluchte seine Neugierde, er verfluchte sich selbst dafür, dass diese Göre ihn in ihren Bann gezogen hatte.
Um sich abzulenken verließ er die kleine Dorf Region und zog ins große Land hinaus.
An der Grenze stoppte er.
Er wagte kaum, seinen Augen zu trauen, als er sah, wie sich die Menschen erneut bekriegten. Für ihn war das ja schön und gut, endlich gab es was zu tun, doch er verstand diese Rasse nicht.
Warum brachten sie sich gegenseitig um?
Wofür?
Nur um fünfzig Jahre lang Herrscher zu sein?
Sterben werden sie sowieso.
Ihm würde es reichen, einen ruhigen Platz und genügend Nahrung zu haben.

Kopfschüttelnd drehte er sich um. Wahrscheinlich würde er bald gebraucht werden, das Opfer wartet bestimmt schon. Mit einem vorfreudigen Grinsen kehrte er zu seiner Höhle zurück.


Tagelang harrte er in seinem felsigen zu Hause aus. Bald wird Neumond sein und er hatte das Gefühl, dass es diese Nacht endlich wieder frisches Fleisch geben wird.
Zusammengerollt lag der Drache auf seinem Liegeplatz und schnaubte die Laubblätter vor seiner Nase weg, die der Wind hereingetragen hatte. Seine Nüstern bebten mit jedem Atemzug. Seine Augen leuchteten blutrot und er starrte in die Sonne hinaus.
Diese war dem Horizont bereits sehr nah und wahrscheinlich hielten die Dorf Leute grade die Zeremonie im Wald ab.
Diebische Vorfreude breitete sich in ihm aus. Wie jung der Mensch wohl sein wird? Das es eine Frau sein würde, bezweifelte er nicht.

Als die Nacht über den Wald hereinbrach, machte er sich auf. Trotz seiner Größe bewegte er sich immer noch flink wie ein Schatten. Kurz vor der Lichtung brachte ihn ein markerschütternder Schrei zum Stehen.
Die Opfergabe scheint Angst zu haben, das ist gut, dann redet sie nicht so viel. Die Gedanken rasten nur so durch seinen Kopf, als er sich langsam der freien Fläche näherte.
Als erstes stach ihm die blaue Schrift ins Auge.
Was auch immer die Menschen damit bezwecken wollten, es interessierte ihn nicht.
Das sanfte Licht der Fackel fing seinen Blick und das Ungetüm erstarrte. Die hellen Strahlen tanzten auf ihren blauen Locken einen Walzer und tauchten das Gesicht des Mädchens in ein wunderbar samtiges Orange.
Ihre haselnussbraunen Augen waren rot unterlaufen und starrten ihm angsterfüllt entgegen.

Die Miko.

Alles in ihm schrie, er wollte am liebsten ins Dorf rennen und den Verantwortlichen zur Strecke bringen.
Warum um Himmels Willen haben sie ihm die Miko hierher gebracht?
Völlig verwundert starrte er zurück, als ein Wimmern ihn aus seinen Gedanken riss.

„Bist du Kurogane, der Drachengott?“
Levy hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt für diesen Satz. Natürlich war er es. Nur ein Drachengott konnte Augen haben, die roter leuchteten als Glut, und Zähne, die furchterregender waren, als die eines Wolfs.
Zitternd sackte sie auf die Knie. Die Ketten zerrten an ihren Unterarmen und schnitten sich in ihr helles Fleisch.
Sie hoffte nur, dass er sie schnell tötete. Als er auf sie zutrat, schloss sie ihre Augen.
Ein unsanfter Ruck durchfuhr ihren kleinen Körper, als er sie von den metallischen Fesseln losriss.
Seine riesige Pranke umschloss ihre Taille und seine Klauen bohrten sich in ihre Haut. Blut tropfte aus den kleinen Wunden. Immer noch wagte sie es nicht, die Augen zu öffnen.

Erst als sie wieder festen Boden unter den Füssen spürte, konnte sie ihre Angst überwinden. Zaghaft schielte sie durch die halbgeöffneten Augen.
Schlagartig blieb ihr ein Schrei im Hals stecken, als sie das riesige Gesicht des Drachen vor sich sah.
Sein heißer Atem schlug ihr entgegen und der Luftzug zerrte an ihrem Kleid. Voller Schreck weiteten sich ihre Augen.

„Was ist los?“
Die Stimme des Drachen grollte tief und Levy glaubte den Boden unter ihren nackten Füssen vibrieren zu spüren. Schnell senkte sie ihren Blick, um Seinem auszuweichen. Nervös inspizierte sie die Höhle.
Nur das silbrige Licht des Mondes erhellte die kahlen Felsen und die steinigen Wände. Außer einem Schlaflager aus Stroh und Decken aus glänzendem Samt erkannte sie nichts.
Nur ein prasselndes, offenes Feuer erwärmte die eisigen Oberflächen. Sie blinzelte.
Vom Wind aufgewehte Staubkörner brannten in ihren Augen. Sie spürte die glühenden Funken der Wärmequelle auf ihrer Haut.

„Ich rede mit dir…“ raunte der Gott erneut.
Das Mädchen zuckte zusammen, reagierte aber nicht. Mürrisch musterte er seine Beute und grummelte vor sich hin.
Sie wartete einfach nur auf ihren Tod. Sie war sich sicher, dass er bald eintreten würde.

„Bitte akzeptiere mich als Opfer und rette mein Dorf“, flehte sie den riesigen Drachen an.
Sichtlich überrascht über ihre Reaktion starrte er zurück.
Er konnte kaum glauben, was er da zu hören bekam.
Sie wollte für ihr Dorf sterben?
Für die Menschen, die sie so eiskalt geopfert hatten?
Sie ohne Mitleid verraten hatten?
Menschen sind eine komische Spezies.

Sein Blick wanderte von ihren blauen Locken, ihren leuchtenden, braunen Augen, zu ihrer Körpermitte. Es entging ihm nicht, wie sie nervös den Saum ihres Kleides knetete.
Sie musste schreckliche Angst vor ihm haben.
Immerhin wusste er, was man sich im Land für Geschichten über ihn erzählte. Über ihn, den grausamen Drachengott, der seine Opfer zerfleischt und der nichts als Tod und Zerstörung hinterlässt. Vieles davon ist wahr, doch dieses Mädchen hat eine beruhigende Wirkung auf ihn.
Er hasste sich selbst dafür, dass er nicht hart bleiben und sie vergessen konnte, doch irgendwie gefiel ihm die Vorstellung, dass sie nun in seiner Höhle ist.

„Bitte, lass mich nicht weiter warten, setz dem endlich ein Ende“, ein flehen lag in ihrer Stimme, die dem sonst so harten Drachen eiskalte Schauer bereitete.
Wieder trafen sich ihre Blicke. Sie weinte bitterlich. Mittlerweile ist sie wieder vor ihm auf die Knie gegangen und erhob ihre Hände und bettelte regelrecht um ihren Tod.
Verächtlich schnaubend wandte er sich von ihr ab.


Ein gleißendes Licht erhellte die Höhle und keine Sekunden später stand er in seiner menschlichen Gestalt vor ihr.
„Ich werde dich nicht töten“, war alles, was seine Lippen verließ.
Stumm setzte er sich an das Feuer und starrte in die tänzelnden Flammen. Unfassbar was sie mit ihm macht.
Völlig aus der Bahn geworfen, verfolgte sie die Bewegungen des nun menschlichen Gottes.
Seine langen schwarzen Haare standen dem jungen Mann wirr vom Kopf ab und seine Kleidung glich einer Rüstung aus eisernen Schuppen. Er trug einen samtenen, dunkelroten Mantel.
Langsam begann ihr Herz sich zu beruhigen. Das Zittern ließ nach.
Fasziniert starrte sie weiter zum Feuer. Seit er sie abgesetzt hatte, bewegte sie sich keinen Millimeter.

Wie alt er wohl sein mag? Für sie wirkte ihr Entführer fast jugendlich. Er kann nicht viel älter sein als sie, ein paar wenige Jahre vielleicht. Doch er war kein Mensch, er war ein Gott.
Zähneknirschend musste sie zugeben, dass wenn er ein Mensch wäre, er äußerst attraktiv auf die Blauhaarige wirken würde.
So hatte sie sich ihn damals immer vorgestellt.
Wortkarg, stark und muskulös.
Ihre Wangen begannen zu glühen.

„Warum bringst du es nicht endlich zu Ende?“ Obwohl sie sich bereits beruhigt hatte, brachen ihre Worte und heraus kam nur ein Flüstern.
„Weil ich nicht will“ war seine knappe Antwort.
Für ihn war das Thema damit erledigt.
„Aber mein Dorf…“ begann sie.
„Was schert dich ein Dorf mit Menschen, die dich einfach wegwerfen, mit Eltern, die nicht hinter dir stehen. Sie wollten dich opfern, ist dir das klar?“
Fassungslos starrte er sie an. Sie wirkte mit jedem seiner Worte zerbrechlicher.
„Aber sie haben doch nur Angst…“ versuchte sie, ihre ehemaligen Mitmenschen in Schutz zu nehmen.
Der Gott schnaubte.
Mittlerweile stand er wieder direkt vor ihr. Panisch sprang sie ein paar Schritte zurück, als er eine Hand auf ihre Schulter legte.
„Ganz ruhig“, murmelte er und zog ein paar Verbände aus seiner Manteltasche.

Erschöpft ließ sie sich von ihm zum Schlaflager leiten und während er sie verarztete fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.


Mit den ersten Sonnenstrahlen öffnete Levy ihre Augen. Sie brauchte ein wenig um sich zu sammeln und zu erkennen wo sie war.
In der anderen Ecke der Höhle lag der Drache und schlief. Immer wieder versuchte sie die letzten Stunden zu verarbeiten. Scheinbar war sie von dem Mann gerettet worden, der eigentlich ihr Verderben sein müsste.
Immer wieder schielte sie zu dem Jungen hinüber. Schlafend wirkte er auf sie fast friedlich und zahm.
Als er sich rührte, senkte sie ihren Blick wieder demütig gen Boden.

Stumm verließ der Kriegsgott den Unterschlupf und verschwand in der Morgendämmerung.



Was ist sie nur für ein Mädchen?
Die ganze Nacht hatte er damit verbracht, darüber nachzudenken, warum er sich in ihrer Gegenwart so anders fühlte. Außerdem war ihm noch nicht ganz klar, was er nun mit ihr machen sollte.
Vor einem Fluss stoppte er und schaute in die spiegelglatte Wasseroberfläche. Sein verzerrtes Gesicht starrte ihm entgegen und mit der flachen Hand schlug er auf Dieses ein.
Kreisförmige Wasserwellen verhinderten eine weitere Spieglung.
Ob sie einem Monster wie mir vertrauen würde?
Kopfschüttelnd versuchte er diesen Gedanken zu verbannen. Er hatte es damals schon gemerkt, während er sie immer wieder beobachtete.
Irgendwie hatte er das Verlangen danach, mit ihr zusammen zu sein. Ruckartig drehte er sich um und begann auf einen dicken Eichenstamm einzuschlagen.
Er verabscheute dieses menschliche Gefühl von Zuneigung zutiefst.
Laut brüllend riss er einige Bäume zu Boden.



Vorsichtig war sie in die schwache Morgensonne getreten und genoss den Ausblick über den Wald. Sie war sehr verwirrt über das Verhalten des Mannes und auch über ihr Eigenes.
Natürlich hatte sie anfänglich Angst vor ihm, doch schon nach seinem Gestaltwechsel hatte sich irgendwas in ihr verändert.
Wenn er menschlich aussah, dann hatte er doch vielleicht auch menschliche Gefühle?
Sie versuchte sich abzulenken und begann ein altes Volkslied zu summen, welches sie von einem alten Priester gelernt hatte.
Ein furchterregendes Brüllen zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.

___


Sie konnten es immer noch nicht glauben. Jet und Droy standen fassungslos am Rande des Waldes und starrten in das tiefgrüne Unterholz.
Ihre Freunde hatten sie verraten, das Mädchen, welches ihnen so wichtig war.
Warum hatte man ausgerechnet sie geopfert?
Aus der Sicht der beiden jungen Männer hätte es viel mehr Sinn gemacht, das Kind des Dorfvorstands dem Drachengott zu überlassen, aber keiner hatte auf sie gehört.
Selbst die Eltern der Priesterin hatten sich gegen sie gestellt. Mit Tränen in den Augen fielen sich die Beiden um den Hals und ließen ihrer Trauer freien lauf.
Erst ein aggressives Brüllen riss sie aus ihren Gedanken.
„Das war er“,
„Ja, scheinbar ist der Dämon zur tat geschritten…“
Lediglich stammelndes Flüstern entrann ihren Kehlen.
„Arme Levy!“

___


Es waren nun schon einige Wochen vergangen. Viele Worte hatten Levy und der Kriegsgott nicht gewechselt, aber die ersten Rituale waren bereits entstanden.
Während der ersten Sonnenstrahlen, verließ er den Unterschlupf um Frühstück zu besorgen. Unterdessen fegte sie mit einem improvisierten Besen und entfachte ein neues Feuer.
Nach dem gemeinsamen Essen verließ er sie erneut.
Er blieb viele Stunden weg, doch das störte sie nicht.
Jedes Mal kam er mit einem kleinen Geschenk zurück.
Ein Buch, ein Kleid, alles was ihr Herz begehren könnte.
Nur einen Haken hatte diese stumme Abmachung. Er bat sie, den Wald nicht zu verlassen. Doch selbst damit konnte sich die Blauhaarige arrangieren.

„Wie heißt du eigentlich?“ fragte sie eines Abends zögerlich. Sie saßen gemeinsam am Feuer und aßen frischen Fisch.
„Das weist du nicht?“ entgegnete er ihr höhnisch. Ein süffisantes Grinsen stahl sich auf seine Lippen.
„Ach... ähm…“ setzte sie an, entschied sich jedoch dafür, ihn nicht weiter auszufragen.
Er war nie sonderlich gesprächig gewesen. Er hörte ihr lediglich zu, wenn sie von den Geschichten aus ihren Büchern erzählte oder von ihrem früheren Leben.
Manchmal lehnte sie sich an ihn und berichtete von den Erlebnissen der Stunden, in denen er nicht bei ihr war.
„Gajeel.“
Es war nur ein leises Brummen. Irritiert sah sie von ihrem Essen auf und musterte den jungen Mann.
„Freut mich, ich bin Levy“
Erst in diesem Moment fiel auch ihm auf, dass er sie nie nach ihrem Namen gefragt hatte.
„Darf ich dich noch was fragen?“
Es war fast ein Flüstern, doch sie wusste, dass er sie trotzdem verstehen würde. Mit einem Nicken gab er ihr zu verstehen, dass er damit einverstanden war und schaute ihr direkt in die Augen.
„Wie geht es diesem Land? Herrscht noch Krieg?“
Lange hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, ob sie überhaupt berechtigt war, ihm diese frage zu stellen.
Immerhin ist sie die Opfergabe gewesen und ohne ihren Tod stand er nicht in der Pflicht, irgendwas an der Situation in der Region zu ändern.
„Noch ja. Ich habe es die letzten Wochen ein wenig beobachtet. Doch bevor ich gehe, wollte ich, dass du dich hier einlebst“
Irgendwie war ihm dieses Gespräch unangenehm. Er hatte Angst seinen Grund und Boden und auch sie zu verlassen, um den Krieg zu beenden, weil er glaubte, sie würde dann vor ihm fliehen.
Er wollte nicht, dass sie geht.
Doch er wusste auch, dass er endlich handeln musste, sonst würde ihm das Dorf die nächste Frau opfern und das wollte er ebenfalls vermeiden.

Als er wieder zu ihr schaute erschrak er. Sie lächelte. Die blauen Locken umschmeichelten ihr Gesicht und der sanfte Schein der Flammen brachte ihre helle Haut zum Strahlen und sorgte für einen eigentümlichen Glanz.
„Ich werde nicht weglaufen“ der Drache glaubte, sich verhört zu haben.
„Huh?“
Langsam erhob sich Levy vom Boden und schritt auf ihn zu.
„Gajeel…“
Sie kniete sich neben ihn und legte ihm die Arme um den Nacken.
„Bitte hilf den anderen Menschen, ich werde hier auf dich warten.“
Sie lehnte sich an ihn und vergrub ihr Gesicht in seiner Brust. Der zarte Duft den sie verströmte kroch in seine Nase und vernebelte seine Sinne. Vorsichtig legte er die Arme um ihre Taille und zog sie näher an sich heran.

Was ist nur mit mir los? Sie verstand sich selbst nicht mehr. Ihre Gefühle gegenüber dem Drachen fuhren Achterbahn und jedes Mal, wenn er in ihrer Nähe war, schlug ihr Herz einen Takt schneller.
Sie konnte sich nicht belügen, sie hatte sich verliebt, auch wenn sie sicher war, dass er ihre Gefühle nicht erwidern würde.
Umso irritierender war seine Reaktion für sie.
Die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, durchflutete jede einzelne Muskelfaser und sie entspannte sich.

Langsam brach die Nacht über die Region herein und die Geräusche um sie herum verstummten.
Nur das Knistern des Feuers unterbrach die Stille mit regelmäßigem Lauten.
Langsam ließ sich Gajeel auf das Schlaflager gleiten, die zierliche Priesterin noch immer fest umschlungen. Sie wehrte sich nicht.
Und während die fahlen Lichtstrahlen des Mondes über sie hereinbrachen, trafen sich ihre Lippen zu einem zärtlichen Kuss.

___


„Der Krieg ist noch immer nicht beendet“, Droy knurrte regelrecht und warf einen verstimmten Blick zu seinem alten Freund.
„Meinst du sie lebt noch?“
Jet war unsicher, doch dass sich an der Situation des Landes nichts geändert hatte, bedeutete zumindest, dass der Dämon nicht das bekommen hat, was er wollte.
„Wir werden ihm ein weiteres Opfer bringen!“
Beide Männer erstarrten, als sich hinter ihnen der Dorfälteste aufbaute.
„Wie wäre es dieses Mal mit einer etwas reiferen Frau?“
Suchend und mit einem lüsternen Ausdruck wanderte sein Blick zu den Frauen des Dorfes.
„Wir sollten noch einen Mondzyklus warten“ bettelte Droy, der einen weiteren Verlust nicht ertragen könnte.
Immerhin war die letzte ledige Frau des Dorfes Laki, das Mädchen, in das er sich verliebt hatte, als er realisierte, das Levy nur freundschaftliche Gefühle für ihn hegte.
„Ein weiterer Zyklus, doch dann müssen wir erneut abstimmen“
Mit diesen Worten zog der Alte von dannen.
„Abstimmen…“ verächtlichen schnaubend wandte sich Jet ab und steuerte auf den Wald zu.
„Was hast du vor?“ fragte sein Freund, dem das Funkeln in den Augen des jungen Mannes nicht gefiel.
„Ich werde Levy suchen.“

___


Seit zwei Nächten war Levy nun schon alleine. Nach ihrer gemeinsamen Nacht war Gajeel aufgebrochen, um sein Versprechen zu halten.
Sie war sich sicher, dass er die donnernde Walze des blutigen Kriegs aufhalten würde.
Doch irgendwie fühlte sie sich in dem Unterschlupf ohne ihn einsam und weniger sicher. Jedes Rascheln, jeder pfeifende Windzug ließ sie aufschrecken.

Es war heller Tag.
Zögernd kletterte sie die groben Felsen hinunter und tänzelte leise summend zu dem nahelegendem Fluss. Schon seit längerer Zeit hatte sie sich vorgenommen, endlich mal wieder schwimmen zu gehen.
Seufzend sank sie auf einen kleinen Stein am Ufer und atmete tief ein und aus. Der frische Duft von Moos beflügelte sie und vorsichtig stippte sie ihre Zehenspitzen in das glitzernde kühle Nass.
Eisig kalt.
Sie kicherte und ließ ihre Beine langsam tiefer in das Wasser gleiten.
Gut gelaunt strampelte sie und verursachte eine kleine Fontäne von Spritzwasser, als sie Schritte hörte.
In einem Reflex griff sie einen umher liegenden Stein und sprang leichtfüßig zurück ans Ufer.

„Levy?“ geschockt blickte sie in die Gesichter ihrer alten Freunde.
Tränenüberströmt standen Jet und Droy vor ihr und begannen zu kreischen.
„Levy, du lebst!“
Beide Männer stürmten auf das zierliche Mädchen zu, welche angewurzelt dastand und ihren Augen nicht traute. Eine kleine Träne perlte ihre Wange hinunter. Sie freute sich sehr, die beiden wohlauf vor ihr stehend zu sehen.
„Jet, Droy“, sie legte ihre Arme um die Beiden, die sie schon seit Minuten fest umklammert hielten.
„Geht es dir gut?“ Sie redeten schnell und durcheinander. Viele Fragen standen im Raum und die Blauhaarige kam gar nicht hinterher, sie zu beantworten.
Herzhaft lachend erzählte sie ihren Freunden von Gajeel, wie er sich um sie kümmerte, und das es ihr gut gehen würde.
Sie ließ keine noch so kleine Information aus.
Jet verschlug es die Sprache. Es passte ihm gar nicht, seine Kindheitsfreundin in den Fängen eines Dämons zu sehen.
„Bist du verrückt geworden? Das ist ein Dämon, Levy. Wach auf, er ist kein Umgang für eine Priesterin“
„Du hast da was falsch verstanden Jet“, entgegnete sie ihm wütend. „Er ist ein Gott, und er hat ein gutes Herz. Ich vertraue ihm blind und ich habe mich in ihn verliebt!“

Nun wurde es auch Droy zu bunt.
„Levy. Was auch immer er ist, er wird niemals altern, irgendwann wirst du seinen Ansprüchen nicht mehr genügen und er wird dich töten.“
Fassungslos starrte sie ihre alten Freunde an. Sie konnte kaum glauben, was sie hören musste.
„Verschwindet. Sofort.“
Mit Tränen in den Augen wandte sie sich von ihnen ab und wartete darauf, dass sie den Wald verlassen würden.
„Levy…“ setzte Jet noch einmal an, doch ein Kopfschütteln des zierlichen Mädchen ließ ihn verstummen.
„Er beendet grade den Krieg. Er ist nicht schlecht. Bitte vertraut mir.“ Sie war sich sicher, dass sie bei ihm bleiben würde, doch irgendwas löste das Gespräch in ihr aus. Sie wusste nur noch nicht was.

„Bist du glücklich?“ hörte sie ihren Kindheitsfreund fragen.
„Ja.“
Sie brauchte nicht nachdenken. Sie war niemals in ihrem Leben glücklicher gewesen. Als die zierliche Priesterin sich umdrehte, sah sie nur noch die Rücken der beiden Männer im Wald verschwinden.


Langsam brach die Dämmerung über sie herein und durch den Streit war ihr die Lust am Baden ohnehin vergangen.
Trotzig sammelte sie ihre Sachen ein und kehrte zur Höhle zurück.
Überrascht blieb sie im Eingang stehen. Das Feuer war bereits wieder entzündet und auch Gajeels Schatten konnte sie in der Höhle ausmachen. Ihr Herz machte einen kleinen Luftsprung und ein zartes Lächeln zierte ihre Lippen.
Als sie die Höhle betrat, blickte er zu ihr auf.

Mit dem roten Licht der Abenddämmerung in ihrem Rücken, sah sie aus wie eine Fee.
Er schmunzelte.
Seine Fee.
Zufrieden bemerkte er ihr Lächeln und freute sich, sie so glücklich zu sehen.


Zähneknirschend stöhnte er auf. Sie hatte ihre Hand auf seine Schulter gelegt um ihn zu begrüßen. Ein dumpfer Schmerz durchfuhr seine Glieder.
„Ahh!“ kreischte sie auf.
Ihre Hand war blutrot.
„Was ist passiert?“
Geschockt starrte sie den Drachengott an.
„Ich hab den Krieg beendet!“ Er lachte, doch verstummte sehr schnell wieder. Jede Bewegung schmerzte.
„Nur leider war das etwas anstrengender, als ich es mir vorgestellt hatte“, nuschelte er und grinste.
Auch sie konnte ein Lächeln nicht verbergen, doch er erkannte ihre Sorge in ihren haselnussbraunen Augen.
„Halb so wild, in ein paar Tagen ist das wieder weg. Jetzt hör auf mich so anzustarren!“
Kopfschüttelnd sank sie neben ihm auf die Knie. Aus ihrer Tasche zog sie eine kleine Flasche mit einer Kräutertinktur und ein paar Verbände.
Vorsichtig begann sie seine Wunden zu versorgen.


Tage und Wochen gingen ins Land. Von dem Höhlenvorsprung aus konnte man ihr altes Heimatdorf feiern hören.
Der Krieg war endlich beendet und auch Gajeels Wunden waren nicht mehr zu sehen.
Lächelnd drehte sie sich zu ihm und schmiegte sich an seine Brust.
„Gajeel…“ ihm entging der sorgenvolle Unterton in ihrer Stimme nicht und sein Körpers versteifte sich.
„Darf ich dich was fragen?“
Sie sah zaghaft von unten zu ihm herauf. Vorsichtig strich er ihr über die blauen Locken.
„Frag!“ forderte er sie auf. Er befürchtete das Schlimmste.
„Du bist doch ein Gott.“
Sie sprach nicht weiter, als ob sie selbst das von ihm bestätigt haben müsste.
„Natürlich“ brummte er nach einigen Minuten und nickte.
„Und Götter sind unsterblich…“
Langsam tastete sie sich heran.
„Richtig!“
Irgendwie verwirrte ihn dieses Gespräch.
„Und du wirst auch nicht älter?“
So langsam dämmerte ihm, was seiner Liebsten sorgen bereiten könnte. Er nickte.
„Und was passiert, wenn ich irgendwann älter werde?“
Tränen liefen ihre Wangen hinunter. Sie hatte lange überlegt, ob sie ihn mit ihren Ängsten konfrontieren sollte, doch letztendlich hatte sie es einfach nicht mehr ausgehalten.
Zärtlich küsste er ihre Stirn.
„Weißt du, bei uns Göttern ist das mit der Liebe so…“

Er sammelte sich, holte tief Luft und erzählte ihr zum ersten Mal in seinem Leben mehr über sich.

„Wir können uns verlieben, in andere Götter, Dämonen oder sogar Menschen. Doch die wenigsten lassen es erst dazu kommen.
Eine Liebe zwischen Göttern wird geduldet. Oftmals spüren die Menschen diese Verbindung und erbauen uns einen Partnerschrein.
Falls sich ein Gott in einen Dämon verlieben sollte, wird er verstoßen. Er lebt dann als freier Geist weiter und kann tun was er möchte…“
Er hielt ein paar Minuten inne, um die Spannung zu steigern. Schmunzelnd spürte er, wie die Nervosität in der jungen Frau aufstieg. Unruhig rutschte sie neben ihm hin und her.

„…Verlieben wir uns in einen Menschen, dann muss eine Zeremonie abgehalten werden, die diese Verbindung bestätigt.
Es braucht keinen Dritten, um sie durchzuführen, lediglich einen Schrein und das ehrliche Wort der Beteiligten. Für den Gott bedeutet diese Zeremonie das Aufgeben der Unsterblichkeit.
Er kann sich zwar noch problemlos in seine spirituelle Form verwandeln und er ist auch nicht durch physische Waffen bezwingbar…“

Er legte erneut eine dramatische Pause ein.

„Doch er beginnt zu Altern und wenn seine Partnerin stirbt, verliert auch er seine Lebensenergie.“
Vorsichtig streichelte er ihr über ihr Haar.

„Und was bin ich für dich?“

Eigentlich wusste sie bereits, wie er antworten würde, doch sie brauchte es in diesem Moment. Sie musste es aus seinem Mund hören.

„Ich liebe dich…“ hauchte er ihr gegen die Stirn und legte seine Lippen auf ihre.

___


Monate später.
Jet und Droy legten Blumen an der Lichtung ab, an der sie ihre Freundin verloren hatten. Es war für sie zu einem Ritual geworden.
Beide waren glücklich, dass sie noch lebte, doch sie waren sich sicher, dass sie nie wieder in ihr Dorf zurückkehren würde.
Heute sah die Lichtung allerdings anders aus als sonst. Die Opferstätte war zerstört und überall lagen Kirschblütenblätter herum.
In der Mitte lag ein kleiner Umschlag. Neugierig näherten sich die beiden Männer diesem und erstarrten. Für Jet und Droy stand darauf geschrieben. Mit zitternden Fingern öffnete Droy ihn und hielt ihn so, dass auch sein Freund mitlesen konnte.

Lieber Jet, Lieber Droy,

Ich möchte mich noch einmal bei euch bedanken. Für alles was ihr für mich getan habt.
Dafür, das ihr damals für mich gekämpft habt und auch, für den Nachmittag am Fluss.
Ich möchte dass ihr wisst, dass ich euch niemals vergessen werde und das ich mir wünsche, dass ihr glücklich seid.
Gajeel und ich werden dieses Land verlassen.
Wir haben eine spirituelle Zeremonie hinter uns und sind jetzt sowas wie verheiratet.
Mit dem Dorf habe ich abgeschlossen. Trotzdem bin ich sehr glücklich.
Diese Nacht, in der ich geopfert werden sollte, war meine Nacht des Lebens.

In ewiger Freundschaft
- Levy - 
 
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